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31. Dezember, 2017 By Heidi Lampret

Altlasten aufräumen. Alles auf Anfang.

Lady Cupcake - Leid hinterfragen

Photo by the incredible Christine Kostner Photographie

Wer bin ich ohne Leiden?

Je älter ich werde, je deutlicher wird die Abhängigkeit und starke Identifikation hin zum Leiden. Damit bin ich nicht allein. Jahresenden haben immer einen ganz besonderen Zauber. Alle müssen die Buchhaltung fertig bekommen. Die Leute zählen ihren Lagerbestand wie verrückt, was den Verbrauch an Haftnotizzetteln exponentiell nach oben schnellen lässt. Manche werden ganz wehmütig, weil Enden einfach traurig sind. Andere sind ganz eifrig am Ausmisten und Loslassen. Respekt dafür. Und ich? Ich gehöre zu der Fraktion, die wieder Mal übers Leben, mein Wirken, meinen Sinn und Unsinn in dieser Welt nachdenke.

Auf intensive oder banalste Alltags Art ist Leiden Teil meines Daseins. Ob verbal oder ohne Worte. Leiden ist schon ein sehr leidenschaftliches Lebensmotiv. Es steckt ja in beidem der Wortstamm Leid, obwohl das eine Wort negativ konnotiert ist, das andere oft mit Sinnlichkeit, Erotik oder Pornographie assoziiert und LEIDer auch verwechselt wird.

Leid im Alltag

Ich begebe mich in die Selbständigkeit, um dann unter meiner nicht vorhandenen finanziellen Existenz zu leiden. Ich bewerbe mich für die Stelle als Sachbearbeiterin und leide dann Jahre oder gar Jahrzehnte unter den wiedersinnigen Vorgaben der Führung. Ich (also in diesem Fall steht das Ich mehr für Dich, weil ich ja noch keine Kinder habe, aber aus literarischen Gründen diesen Schreibstil gerade nicht aufgeben möchte) setze neues Leben in die Welt, um mich dann ihrem unerwünschten Verhalten als ohnmächtiges Individuum gegenüberzustellen und ihnen die erbrachten Opfer immer und immer wieder zum Vorwurf zu machen. Ich baue ein Haus, um dann Zeit meines Lebens nicht nur die Bank mit Geld, sondern auch meine Angst zu füttern.

Dabei habe ich manchmal das Gefühl, es ist eher die Angst vor dem Verlust von Angst und Leid, die so vernichtend auf mich einwirkt. Verliere ich meine Identität, wenn ich weder Angst noch Leid empfinde? Huch! Da muss ich mal tief durchschnaufen.

Das Leid wächst in mir

Ständig suchte ich – und vielleicht auch du – nach einem Schuldigen für mein Leid. Dabei spürte ich schon die ganze Zeit, dass es darum ging, keine Verantwortung für mich und mein Leben übernehmen zu müssen. Denn das macht scheiß Angst! Oh ja! Die größte von allen. Und ich meine nicht die Art Angst, wenn ich eine gemischte Kugel Pistazien-Zitroneneis bestelle, und innig darauf hoffe, nicht Schlumpfeis zu bekommen, weil die Kinder um die Eisdiele herum so laut plerren. Seltsame Metapher. Wieso denke ich  jetzt an Eis, nur weil es Winter ist? Memo an mich selbst: Zu Silvester saisonal angebrachte Metaphern verwenden. Es ist beängstigend plötzlich für den eigenen Mist, der einem als Resultat eigens getroffener Entscheidungen womöglich widerfährt, verantwortlich zu sein. Ich wünschte mir oft, leiden wäre etwas Externes. Etwas göttlich auferlegtes. Etwas, dass mir andere Menschen antun. Jedoch bin und war ich selbst die Übeltäterin. Die ganze Zeit. Ich wünschte mir oft, Leiden wäre im Schlaf über mich hergefallen, damit ich mit einem resignierenden: „Nun ist es halt so!“ durch die Welt schreiten und Angst vor ihr haben könne. Ziemlich großer Denkfehler! Einsicht ist der erste Weg zur Besserung.

Lady Cupcake viele facetten hinterfragen

Photo by the incredible Christine Kostner Photographie

Falsch ist das neue Richtig

Wir Menschen machen Fehler. Ich zumindest mache täglich viele Fehler. Ich bin ja mit Fehlannahmen wie der eben beschriebenen nicht alleine. Bedenke: Es gab Zeiten, da glaubten enorm renommierte Ärzte und Gebildete mit dem Wortstamm psych in der Berufsbezeichnung, dass das Ansetzen eines Eisenstabes auf der Stirn psychisch kranker Menschen und das darauf folgende Einhämmern mit dem Zwecke der Zerstörung des Kleinhirnes ihre Symptomatik heilen würde! Bis in die 60er Jahre wurde so praktiziert. Die Menschen in weißen Kitteln wurden dafür gefeiert, anderen für pathologisch befundenen Menschen Hirn-Areale zu zerstören. Ist das zu fassen? Es gab eine Zeit, da meinte der Großteil der Weltbevölkerung, die Erde wäre eine Scheibe. Alle, die das Gegenteil behaupteten, waren Hexen, Scharlatane und wurden auf die grausigst erdenklichen Arten zum Tode verurteilt. Das war auch mal eine Realität. Die, die anderer Ansicht waren, waren falsch. Was ist, wenn Falsch das neue Richtig ist? Was ist, wenn das immer schon so war und das Richtig von gestern, heute schon wieder dermaßen falsch ist?

Erste Zusammenfassung des ablaufenden Jahres

Ich habe 2017 viele Freunde verletzt, aber auch Wunden gekittet; heilsame Worte gesprochen. Ich habe neue Menschen kennengelernt und sehr lieb gewonnen. Ich durfte wieder bei der Oper im Glashaus mitwirken. Wahnsinns Ehre jedes Jahr in Völkermarkt! Ich habe Fehler gemacht, jeden Tag mindestens drei. Ich darf wieder Musik machen mit den unglaublichsten Musikern, die ich im Laufe der letzten 12 Jahre kennenlernen durfte. ARTphonica nennen wir uns und ab Feber wird auch konzertiert. Ich habe mindestens 50 Dinge ausfindig gemacht, die ich überhaupt nicht gut kann. Ich habe geheult. Ich habe gelacht. Ich habe gelebt. Ich bin einen Halbmarathon gelaufen. Es haben einige Menschen diese materielle Welt verlassen. Es sind einige zauberhafte Engel in diese Welt gekommen. Sehr liebe Freunde von mir sind Eltern geworden. Ich habe diesen Blog – mein Herzens Projekt – ins Leben gerufen. Ich hab oft an meinem Dasein als Selbständige gezweifelt. Besonders als die Kohle immens eng war und BMF und SVA extrem wenig verständnisvoll.

Ich hab wieder einige Projekte an die Wand gefahren, weil ich selbst zu wenig klar war. Ich hab zu viele Dinge gleichzeitig angefangen und mittendrin gemerkt, dass die Überforderung immens steigt. Ich hab zu oft Ja gesagt – wie erwähnt, nicht wegen dem Größenwahn, mehr wegen dem Druck allen und allem gerecht zu werden/ alles alleine schaffen zu müssen. Ich hab erkannt, dass ich ICH sein muss; dass ich mein Leben leben dürfen muss und möchte. Ich sage JA zu mir und zur (Selbst-)Liebe. Ich sage: Lass uns die alten Verstehens-hypothesen weiter transformieren und näher auf uns selber zugehen!

Lady Cupcake stunning

HL Photography (Selbstportrait)

Noch mehr effiziente Meilensteine 2017 🙂

Ich hab mein Psychotherapeutisches Propädeutikum abgeschlossen, zwei funktionierende Beine und Hände. Ich hab’ Augen, die sehen. Augen, die wesentliche Informationen in mein Hirn übertragen und mich 2017 klar erkennen ließen in welchen Lebensbereichen und banalen Situationen ich mich sabotiere. Selbstkonzepte kommen in Gestalt getarnter Selbstsabotageakte ans Licht. Zum Beispiel als ich bei einer der letzten Autofahrten nach Linz – zum Propädeutikum – zum gefühlt Millionsten Mal die falsche Abfahrt nahm. Keine Neuigkeit ist, dass man mich 10 Sekunden in der Klagenfurter Innenstadt im Kreis drehen möge und ich mindestens 1 Minute brauchte, um mich an den Weg nach Hause zu erinnern. Und das sicherlich nicht aufgrund meines Drehschwindels, sondern meiner massiven Orientierungslosigkeit. Kein Scherz! So schlecht ist es bestellt um meinen Orientierungssinn. Neu war an dieser Erfahrung allerdings, dass eine innere Stimme ganz laut schrie: „Du musst hier raus!“ Eine Art Körperintelligenz oder nennen wir es muskuläre Konditionierung veranlasste meine Hände dazu, sich tief ins Lenkrad zu krallen und partout weiter zu fahren. Das war ja vielleicht eine schockierende Erfahrung! Ich musste gleich jemand Professionellen befragen; musste mich rückversichern, ob ich eh noch Kapitän auf meinem eigenen Schiff sei; fühlte sich das alles doch sehr weird und fremdbestimmt an. Kurz darauf überlegte ich ein bisschen nach dem Begriff Exorzismus zu googeln. Das ließ ich dann aber lieber sein, um nicht auf irgendwelchen schwarzen Listen geführt zu werden. You never know! DSGVO 2018 lässt grüßen! Wieder kurz darauf beschloss ich also die freak-out Kirche mal im wahrsten Sinn des Wortes im Dorf zu lassen.

Selbstkonzepte tendieren zu Bestätigung. Wer wäre ich, wenn ich plötzlich orientiert wäre? Das macht einer großen Instanz in mir Angst. Und der Angst in mir wiederum macht es Angst, wenn sie nicht mehr gebraucht würde. Error: Alarmlämpchen leuchten dunkelrot auf. Identitätsverlust bevorstehend?

Heute bin ich der Auffassung, dass hinter diesen Sabotageakten mehr Schönes von mir selbst verborgen ist. Seltsamerweise ist es ganz oft so, dass meine Intuition als milde aufflackernde Siegesfackel in die korrekte Richtung leuchtet und für den Bruchteil einer Sekunde in meinem neuronalen Netzwerk aufleuchtet. Kurz darauf, tue ich erst recht wieder das Gegenteil. Wäre echt mal spannend, das zu tracken. Falls du jemanden kennst, der jemanden kennt, der spannende Neurotestes durchführt: Ich bin eure Frau! Mein Selbstkonzept bestätigt also zwanghaft, dass ich die falsche Richtung wählen müsse, weil es ja meine Bestimmung ist, falsch zu liegen. Es muss einfach so sein und unter gar keinen Endzeit-Movie-Ausnahmezuständen darf es anders sein. So war es zumindest bisher.

Lady Cupcake psychodelic smile different aspects

Photo by the incredible Christine Kostner Photographie

Ebenso verhält es sich mit Rechenaufgaben. Manchmal brauche ich alle zehn Finger und Zehen, um 2 + 7 zu addieren. Habe ich aber gar keine Zeit oder lenke diese tief verankerte Glaubenshypothese gekonnt ab, z. B. an der Kasse während ich mich eigentlich mit einer Freundin unterhalte, rechnet etwas in mir ohne mit der Wimper zu zucken 20% von den Orangen, 15% von der Milch ab und die Gesamtsumme. Allein durchs parallele auf den Bildschirm Schauen. Wieder eine krasse Erfahrung. Unser Bewusstsein ist auch ohne chemische Substanzen zu vielen schönen Dingen im Stande. What? Wie ist das möglich? „Ja, sie ist ein Scheidungskind und emotional offensichtlich in einem Ausnahmezustand. Quasi gelähmt. Mathematik und logisches, räumliches Denken werden nie ihre Stärke sein.“, höre ich einen ganz wichtigen Prüfer einer schulischen Kommission über meinen Kopf hinweg, weil ich mit 7 Jahren halt echt ein sehr überschaubarer kleiner Mensch war, zu meiner Mutter sagen. Damit wurde wieder eine Glaubenshypothese mit recht üppig-systemischem Aller-Welts-Blabla PU-Schaum in meinem Organismus verfestigt. „Aja, wenn die Großen das sagen, dann bin ich wohl eine Niete!“ Nachricht erfolgreich implementiert. Interessant, denn grad letztens hatte eine sehr liebe Freundin einen Persönlichkeitstest für ein neues Jobangebot auszufüllen. Als die fiesen Logikfragen an die Reihe kamen, bat sie mich mal mitzuraten und siehe da, ich hab’ die komplexen Variabel-Fragen zu x und y im Verhältnis zu z -3 verstanden. Zwar nicht ad hoc, aber ich lies die manipulative Instanz in mir gar nicht zu Wort kommen. Wir waren eigentlich im Gespräch und/ oder ich eigentlich am bloggen. Actually sogar für diesen Text hier, denke ich. Tadaaaa! Haben diese uralten falschen Verstehenshypothesen von mir keinen Raum oder schenke ich ihnen kein Gehör, gibt es da kein: „Du kannst nicht. Du bist eine Niete. Du schaffst das nie.“ #gefaelltmir_dirauch?

Nichts erwarten. Über alles freuen.

Ich habe festgestellt – und tue dies nach wie vor jeden Tag – dass so viele Annahmen über mich selbst, das Leben und über die Menschen um mich herum komplett falsch sind. Zumindest sind sie aus heutiger Sicht weniger falsch als gestern. Ich bin vielleicht keine versagende Selbständige, die vor 2,5 Jahren den Sprung aus dem Flugzeug wagte (ohne Fallschirm). Vielleicht war und ist es nur der hohe Anspruch an mich selbst und die Geduld. Hohe Ansprüche an mich selbst, sind wie Sprünge aus dem Flugzeug (ohne Fallschirm). Sie sind zum Scheitern verurteilt! So ist das mit den Erwartungen: Ich muss super erfolgreich, atemberaubend schön, ewig jugendlich,super skinny, total sozial angepasst sein, extrem intelligent, in meinen Fähigkeiten very breit aufgestellt sein, viele Kunden haben, wenig Arbeiten und dafür die Zeit mit meinen Boyband ähnlichen Lustzophen auf meiner Luxusyacht verbringen. Oder wenigstens muss meine Insta-Story das zeigen. #augenroll Dabei ist es neben dem hohen Anspruch immer nur die Ungeduld und meine zwanghafte Vorstellung von Welt, die einmal fertig sein sollte. In der einmal Stille herrscht. In der Projekte und To Do’s mal drei Tage Pause machten, damit ich wieder die Grenze zwischen Körper und externer Welt spüre, indem ich die Zwischenrippenmuskeln (oder wie nennt man die?) meines Brustkorbes beim tiefen Einatmen bewusst spüre und weit werden lasse. Das Leben ist nur leider nicht zum Stillstand gemacht. Es ist niemals nichts. Wirklich niemals! In keiner Sekunde ist das Leben nicht einfach nur nichts. Sehr ehrgeizig und töricht mein Anspruch mal etwas fertig haben zu wollen. Wenn Antreiber Geduld und seine königliche Majestät hoher Anspruch sich auf Silvesterkaffee träfen – überdacht von meinem beim Flugzeugsprung nicht vorhandenen Fallschirm – wären mein Dasein und Wirken einmal mehr zum Scheitern verurteilt.

Lady Cupcake Selbstliebe

Photo by the incredible Christine Kostner Photographie

Viel geschafft, Liebe entfacht.

Tja, ein so schlechtes Jahr kann 2017 dennoch nicht gewesen sein, denn mein Herz schlägt immer noch. Fürs nahezu abgelaufene Jahr wünschte ich mir, einen konstruktiveren Weg dafür, meine Emotionen auszudrücken, als ständig ein körperliches Symptom zu entwickeln. Oder sie hinter einem ausgewachsenen Keim zu tarnen, weil ja angeblich eine Grippewelle umhergeht, oder ich ohne Kopfbedeckung laufen war. Das waren lauter Ausreden. Ich kenne mich mittlerweile gut genug. Immer, wenn auf sonstigen Ebenen meines Seins etwas aus der Bahn gerät, etwas nicht Raum haben darf (weil ich es mir verbiete) oder ich Dinge nicht klar benenne, Bedürfnisse nicht wahrnehme, übersetzt mein ziemlich schlauer Körper dieses Verhalten in ein Symptom. Das Grundmotiv habe ich auch dieses Jahr nicht abgelegt, aber zumindest habe ich es weiterentwickelt mit dem Effekt, dass ich es sofort begriffen und mich handlungsfähig gemacht habe. Ich habe mich nicht im Leiden gesuhlt, in meiner Ohnmacht verloren oder bin in einer Opferhaltung verhaftet geblieben. Nein, ich hab’ sofort die Holmes’sche Selbstfindungslupe aus der vintage Kommode gezückt und bin ins Reflektieren oder Meditieren übergegangen. Binnen Stunden hatte ich die mir selbst wutentbrannt, rücksichts- und verständnislos erhobene Faust zu einer offenen, unterstützenden Hand geöffnet und des Pudel’s Kern erkannt. Ganz klar und deutlich und ohne Geplerre. Ich habe ad hoc korrigiert, die Dinge klar an- und ausgesprochen und die Symptome mit meinem phantasievollen Zirkusäffchen in die hintersten Windungen meines Hirns zum Spielen und Dolmetschen geschickt. Was bei all meinem künstlichen aber echten Leiden, bei all der Opferpositionierung am Schönsten ist? Die Tatsache, dass ich in Momenten der Verzweiflung darauf verzichtet habe, ein mit bitterer Angst beträufeltes Zuckerwürfelchen in meinen Earl Grey Tee einzuwerfen mit der Botschaft: „Ein dickes Schwein bist du auch noch!“. So, jetzt ist auch das raus. Bei all dem Leiden, das ich mir dieses Jahr selbst beschert habe, kann ich zumindest auf ein stabiles, bewusstes, unglaublich liebevolles und energiegebendes Körperbewusstsein zurückblicken. Auf ein Ich-liebe-dich! mit Tränen in den Augen, weil ich es so meine und es mir leid tut, es so viele Jahre verabsäumt zu haben, mich zu lieben. Ein Ich-liebe-dich, weil dieses Leben ein so großartiges Geschenk ist, dessen Einzigartigkeit ich noch immer nicht ganz zu begreifen im Stande bin. Diese beiden Entwicklungen würde ich nicht nichts nennen:

  1. Gefühle fühlen und in Handlungen statt in Symptome übersetzen.
  2. Wahre Selbstliebe empfinden und mir täglich geben.

Zwischenfazit

Ich ent-täusche mich weiterhin über meine falschen Annahmen über mich selbst und die Welt. Denn wer möchte nicht auch entlassen werden aus einer Täuschung? Ich hoffe und bete innigst, dass meine Annahmen über mich selbst und Welt morgen ein bisschen weniger falsch und töricht sind, als heute. Ich nehme das Leben an. Himmel! Das schreibt sich wiedermal so leicht, aber diesmal meine ich es wirklich. Ich will das wirklich W-I-R-K-L-I-C-H! Ich widme 2018 der Leichtigkeit und dem weiteren Ausbau meiner Lebendigkeit. Nachdem mein Motto 2017 schon sehr wertvoll war und mich näher zu mir selbst und damit näher zu meiner Selbstliebe brachte, kann das unter Umständen auch mit 2018 was werden.

Lady Cupcake Werkbank, drink, seil, garage, peace

Photo by the incredible Christine Kostner Photographie

Was ich außerdem am Bildschirm habe

Ich werde annehmen was kommt, weiter loslassen was weg kann. An dieser Stelle fällt mir besonders mein great-pretender-Gen ein, um’s mit Freddie Mercury’s Song im Hinterkopf zu beschreiben. Ich will nicht länger Ja sagen und Nein meinen. Besonders im Business erwische ich mich dabei täglich. Von allem macht LCC ein bisserl was, aber nix so richtig. Wenn ich daran denke, taucht auch mein Vater gedanklich wieder auf. Von allem ein bisschen was, aber viele Dinge ohne Herz oder Verstand erledigen. Arbeiten= Dinge lieblos abarbeiten. Ich sehe ihn auf Gegenstände, Tiere oder Menschen eindreschen, in der Hoffnung, seine Wut würde dadurch gestillt, äußere Gegebenheiten ins Gegenteil verkehrt oder Gegenstände wieder heil. Als hätte Zerstörung schon jemals Zerstörung verhindert. Als hätte Hass jemals Hass geheilt. Im Gegenteil! Was auch immer er versuchte dadurch zu verbessern, verschlechterte sich. Auch meine eigene Unachtsamkeit – mein Eindreschen auf meine (nicht) vorhandenen Fähigkeiten, Persönlichkeitsanteile, auf mein Wesen – führ(t)en stets zu Ineffizienz. Räusper! Ich verwende an dieser Stelle bewusst dieses betriebswirtschaftlich spröde Wort: Ineffizienz. Wie mein Vater, der auf den Traktor eindrischt und in aller seiner Wut und Ineffizienz glaubt, der kaputte Reifen wechselte sich von selber oder die Kurbelwelle schmierte sich wie von Zauberhand.

Lady Cupcake garage seil kopf hoch nur nicht aufgeben

Photo by the incredible Christine Kostner Photographie

Größenwahn, Besserwisser, Alleskönner?

In einer meiner Therapiesitzungen fiel vor Jahren mal der Begriff „Größenwahn“, was ich mir natürlich sehr zu Herzen nahm. Denn wer möchte schon Größenwahnsinnig sein, wenn er/ sie doch in Wahrheit á la Mutter Theresa Gutes in die Welt bringen und selbige von allem Bösen befreien möchte? 🙂 #mordsmäßigdezentesparadoxonundtrotzdemfreueichmichüberdieserundeformulierung). Nein, ohne Scheiß…ähhh ohne Scherz wollte ich schreiben! Pardon! Ich hielt mein Ich-kann-das-ich-mach-das-alles-ganz-alleine-und-super-zackig-gut-mit-10-Fehlern-und-in-sich-zusammenfallendem-Dachstuhl-weil-Häuser-konstruieren-muss-ich-ja-sicher-auch-noch-als-Draufgabe-alter-Schwede-Verhalten seither für Größenwahn. Dabei ist es aus heutiger Sicht – und da mag ich mich einfach ein bisschen weniger oder anders falsch sehen und in mir täuschen als gestern: Meine künstliche Isolation vor Menschen. Die verrückte Idee, ich solle in meinem Tarnmodus bleiben, bloß nicht um Hilfe bitten, ja nicht mit Anderen kooperieren. Denn ein vertrauensvoller Ort ist dieser blaue Planet ohnehin nicht. Das ist es leider, was Opfer zentrierte Abtreibungskinder wie ich versuchen. DAS ist meine eigentliche Täuschung: Tausche Größenwahn, gegen die neue Verstehenshypothese Allein-gegen-den-Rest-der-Welt! Verbündet nur mit mir selber und selbst mir selbst vertraue ich die meiste Zeit meines Tages nicht. Diese Hypothese darf 2018 gleich aufgebrochen und weiter entwickelt werden.

Und so konstruiere ich weitere meine Vorstellung von Welt, Realität, fixen Persönlichkeiten ab 30+, Fallschirmähnlichen Zelten mit Wärmestrahlern an den Füßen (und diese evtl. selbständig zu verkaufen – wieder etwas Neues, um noch ein bisserl mehr zu tun, als alle Anderen, oder als gut für mich wäre) und der wahnwitzigen Idee, einfach mal zu Sein. Das darf ich für ausreichend befinden 2018.

Bewusst wie nie

So viele Menschen blicken dieser Tage in den Himmel, hoffen das Beste, sind enttäuscht von sich, dem Leben, den miesen life events diesen Jahres. Manche heulen, manche lachen. Für manche war es das fulminanteste Jahr, für manche das fürchterlichste. Ich für meinen Teil kann behaupten, es war das bewussteste Jahr meines bisherigen Lebens. Das betrifft die schönen wie die schlimmen Momente 2017. Gefühlsmäßig würde ich sagen, es war Inhalt dabei, der eigentlich für 2 – 3 Jahre ausreichen würde. Alleine in zwei Wochen passierten Dinge, die mir das Gefühl gaben, alles dreht sich wieder um 180°. Wieder muss ich flexibel sein. Wieder muss ich alles über den Haufen werfen; mich neu organisieren. Wieder zerbricht etwas. Wieder habe ich Misserfolg. Wieder bin ich ineffizient. Dabei sortierte sich 2017 vielleicht einfach nur alles neu, wie das 1.000 Teile Puzzle zweier Schwäne, die ich als Kind mit meinen Brüdern zusammenbaute. Das war auch mega chaotisch, aber in Kooperation haben wir das hinbekommen. Wirklich beruhigend ist Chaos nie. Das ist wohl auch ein Grundprinzip im Universum, wenn ich an meinen Besuch im Planetarium zurückdenke. Aus dem Chaos entstehen neue, wundervolle Dinge. Der Schlüssel ist wohl die Hingabe zu diesem chaotischen, unsicheren Ort, den wir Leben nennen.

Lady Cupcake ungeschminkt frei

Photo by the incredible Christine Kostner Photographie

Noch eine Metapher

Vielleicht gibt es kosmische Kräfte, ein paar Leute im Headquarter der Urquelle, der wir alle entspringen, die uns alle auf diesem Erdball in einer Break Dance Jahrmarkts-Attraktion schön ordentlich durch die Gegend zwirbeln. Im Låvanttal sagt man dazu „Ring’l G’spül“. Ich hoffe du weißt an dieser Stelle was ich meine? Von DIESEM ist die Rede. Noch krasser finde ich DIESES oder DIESES. Manche müssen sich davon übergeben. Ich zum Beispiel. Andere können sich dem total hingeben. Wieder andere holen sich ihren Adrenalin-Kick. Ich denke, niemand weiß was morgen ist, oder in zwei Stunden. Wenn wir so tun, als wäre unser blauer Planet das Gänsehaut fördernde Jahrmarkt-Dings, dass im Spiel mit physikalischen Grundprinzipien Horror Situationen kreiert, ist es vielleicht so, dass irgendwo doch jemand an den universellen Schaltknüppeln sitzt, Erdnüsse isst, sich lachend den Bauch hält wegen unserer menschlich verkorksten Art und Weise das Gezwirble auszuhalten. Vielleicht war das Leben einfach dazu gedacht, zu sein. Nicht dazu, so viele Interpretationen zu erfinden. Das Gezwirble ist einfach so. Mal intensiver, mal chilliger. Aber immer richtig, weil wir es eh nicht kontrollieren können. Wenn wir los ließen könnten wir alles ein wenig mehr genießen.

Aufräumen

Die letzten Tage habe ich meine Festplatte aufgeräumt. Nein, ausnahmsweise ist das mal keine Metapher für meinen verrückten Kopf. Naja, ich musste, weil mein Laptop wohl in den letzten Atemzügen ist. #hoffentlichlaesster michnichtimstich Bei vielen Fotos, die zwischen Lebensläufen, ganz klugen Excel-Tabellen und uralten Versicherungsteilzahlungsanträgen herum eierten, fragte ich mich, wer die Person auf den Fotos ist? Ich erkannte die 2013er, 2005er oder 1999er Version von mir gar nicht mehr. Es fühlte sich an, wie die Fotos eines anderen Menschen zu betrachten, der ein ganz anderes Leben führt(e). Ich hab’ das Gefühl, wir leben in Laufe eines Menschenlebens so viele Versionen von uns. Ich weiß nicht mehr, wie ich 2014 war. Manchmal weiß ich nicht mehr, wer ich letzte Woche war. Wichtig ist nur, wer ich jetzt bin. Das genügt. Das ist alles, was zählt. Ich weiß zwar nicht 100%-ig, wer ich heute bin. Aber ich weiß, dass ich gerade Jetzt sein kann. Nicht immer, aber immer öfter. Und dann ganz intensiv. Auch diese Fähigkeit würde ich nicht nichts nennen.

Erster Ausblick 2018

Vor lauter gib, gib, gib – ich will jetzt auf der Stelle erfolgreich sein, habe ich vergessen den Begriff Erfolg näher zu definieren. Abgesehen davon habe ich zu Beginn meiner Selbständigkeit, aufgrund massiver Selbstverliebtheit, vergessen zu definieren, ab wann ich überhaupt erfolgreich bin. Was ist eigentlich Erfolg? € 1.500,- netto pro Monat? € 3.000,-? Das zu tun, was mich lebendig sein lässt? Eine möglichst stabile Ego-Fassade, die Freunde, fake-friends oder ganz ganz wichtige Menschen, die potentiell ganz ganz wichtige Stakeholder für mich und mein Unternehmen sein könnten zu beeindrucken? Ein Schulterklopfer von Kunden, die sagen, dass ich eh super arbeitete? Ich denke, ein Erfolgsbewusstsein muss wohl eher in mir wachsen; aus mir kommen. Ich hab’ grad echt keine Vorstellung davon, was Erfolg für mich bedeutet. Memo an mich selbst: Für 2018 Erfolg definieren. Ganz ehrlich und ungeschminkt!

Effizienz. Einmal geht’s noch.

Immer nur zu leisten, heißt nicht immer effizient zu sein. Effizient zu sein bedeutet – lt. Lean Mangement zumindest – die richtigen Dinge zu tun. Effektiv bedeutet die Dinge richtig zu tun. Wenn ich immer nur blind links arbeite und leiste, um beschäftigt zu sein, oder wie mein Herr Papa auf Dinge oder Situationen einzudreschen, inwiefern hat das dann mit Effizienz zu tun? Mein Freud’scher Versprecher im Sommer 2017. Das war auch noch ein Highlight! O-Ton LCC im Kundengespräch: „Wenn es eines gibt, was ich total befürworten kann, dann ist es ineffizient arbeiten!“ Bist du deppert! Das klingelt nach wie vor mit weit über 85 dB in meinen Ohren! Message angekommen! All die Dinge, die ich hier erklärt habe. Ja, all das mit der Selbstsabotage und den Dingen mit meinem Vater, den Arbeitsmethoden meiner Großmutter. Was hat das alles mit Effizienz zu tun? Besser gefragt: Hatte diese Lebenshypothese jemals etwas mit mir zu tun? Und wenn Nein, kommt nun die wichtigste aller Fragen: Wessen Leben führe ich denn eigentlich seit 32 Jahren? #bam_dashatgesessen #erleichterungbreitetsichaus

Hoppla, da stürzen noch weitere Fragen aus mir heraus:

  1. Wer bin ich, wenn ich mich nicht verfahre?
  2. Wer bin ich, wenn ich keine Mathe-Niete bin?
  3. Wer bin ich, wenn ich mich nicht überfordere?
  4. Wer bin ich, wenn ich weniger Dinge tue; dafür aber die richtigen?
  5. Wer bin ich, wenn ich nicht sieben Tage die Woche arbeite oder ineffizient vorm PC sitze, in die Tasten haue, mir stundenlang DIY Tutorials zu Software anschaue, um ein bisschen gescheit mitreden zu können?
  6. Wer bin ich, wenn ich mal nicht fünfzehn Projekte zeitgleich erledige, wenn ich nicht überfordert bin und schnaufend dreißig Minuten zu spät zu den Treffen mit Freunden komme?
  7. WER BIN ICH, WENN ICH NICHT LEIDE?

….ich glaube die alles entscheidende Antwort auf diese seit Jahren offenen, die Angst schürenden Fragen ist: Ich wäre die schönste, freiste, liebste Version meiner Selbst in diesem Leben! Denn ich muss niemandem beweisen, dass ich leben darf. Ich muss nicht leiden, um zu leben. Ich muss mir das Leben nicht verdienen. Denn das Leben ist. Ich bin. Alles ist gut, in jedem Moment! Hach! Endlich Antworten! #soinlove #soreliefed

Lady Cupcake ungeschminkt

Photo by the incredible Christine Kostner Photographie

Lady Cupcake cheers to you

Photo by the incredible Christine Kostner Photographie

Cheers to you! Cheers to 2018! Ein Hoch auf das Leben, die Lebendigkeit in unseren wunderschönen Körpern, die Leichtigkeit, die mich den Reichtum, der mich ohnehin schon die ganze Zeit umgibt endlich zu erkennen und anzunehmen.

Worauf trinkst du? Was ist dein Motto/ Thema für 2018? Von Vorsätzen wollen wir mal nicht sprechen, denn die sind, ebenso wie Regeln und XL-Tafeln Milka-Schokoladerippen dazu da, um gebrochen zu werden.

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#lassmalaufhoerenzuleiden #lassunsmalselberverzaubern #lassmalueberunsselberstaunen #lassmalwasneuesprobieren #lassmalunsselberlieben #DASKANNWEG

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1. November, 2017 By Heidi Lampret

Ein ganzes Menschenleben in vier Polyethylentüten

….als würde es eine Tote noch groß kümmern, wo ihr zweiter Schuh wäre. Die beiden Krankenschwestern diskutieren weiter, suchen eifrig im Schuhstapelsystem am Eingang zu all diesen todkranken Menschen. Ich stehe da. Zwei dick bepackte Patientensackerl in Händen. Die Tochter der Verstorbenen, die auch meine liebe Freundin ist, ebenfalls. Ihr Gesicht ist ihr runtergefallen. Fällt mir auf. So blass ist sie, dass ich nicht mal mehr den sonst so prallen, von Natur aus erdbeerfarbenen Mund erkennen kann. Weiß in weiß. Wie unsere Sackerln. Sie hat auch einen großen Esslöffel der stärksten Psychopharmaka in Tropfenform verabreicht bekommen. Eigentlich möchte sie grade Räder im Gras schlagen, verrät sie mir. Sie steht neben sich. Ist irgendwie außer sich. Und ihre Gefühle auch. Ich fühle es in mir brennen. Ich bin sehr in mir drin und frage mich, was ich mit diesen Habseligkeiten der eben verstorbenen Leukämie Kranken machen soll. Die Säcke scheinen eine Tonne zu wiegen und doch ist es mein Herz, dass ich vor Schwere kaum die Stufen hinaus ins grelle Sonnenlicht tragen kann. Die Schwere stockt in meinen Beinen. Macht in meinen Kniekehlen eine dramaturgische Pause, sodass sie zu zittern beginnen. Bis sie dann mit voller Wucht und mit gefühlter doppelter Erdanziehung (2g) in meinen Knöcheln aufprallt. Diese leiten die Massen in meine Sohlen, meine Zehen weiter.  Ich fühle mich wie in frischem Beton. Nicht, dass ich dazu schon eine vergleichbare Relation hätte. Ich wurde niemals mafiös-uncharmant an einen Bootssteg oder abgelegenen See begleitet. Aber in diesem Moment denke ich mir, so ausweglos müsse sich das anfühlen. Nasser Beton also, der mich verschlingt. „Sterben ist seltsam“, denke ich mir. Es ist nicht der erste Mensch, dessen Sterben ich erlebe. Wirklich nicht. Aber es ist der erste Mensch, der mir so unglaublich viel bedeutet und den ich langsam und step-by-step 9 Monate lang beim Sterben begleiten durfte. Zerfressen vom körpereigenen, krankhaften Zellwachstum. Ich hätte mein eigenes Leben gegeben, anstatt sie so sehen zu müssen. Das Leiden – ganz ohne religiös versteckte Metaphern – scheint ein Teil des Mensch Seins zu sein. Das begreife ich jetzt bzw. muss ich ja, denn kein Gegenmittel auf der Welt hätte das damals Geschehene aufhalten können. „Wo liegt darin der Sinn?“, frage ich mich weiter. Die Frage bleibt Teil eines inneren, einsamen Monologes. Es folgt keine Stimme, die Antwort darauf gibt. Übrig bleibt die Leere in meinem Kopf, ganz ohne Nulllinie, wie ich sie eben noch auf HIldegunde’s Vitalparameter anzeigendem Monitor beobachtet hatte. Da ist nichts. Wie bei ihr. Wie in ihr.

Foto: pixabay.com

Und plötzlich passiert es wirklich

Ich spule etwa 180 Minuten zurück. Noch nie hatte ich jemanden so meinen Namen rufen gehört. So dringlich, so verzweifelt, so schmerzerfüllt, so hoffnungslos. Noch heute ab und an – und meist um den 13. März, der der Tag des Geschehens war vor 10,5 Jahren – höre ich diesen bitterlichen, verzweifelten Ruf. Ich stürze zur Tür, greife zu den an der Wand befestigten Einweghandschuhen und dem Mundschutz. Eine Schwester pfuscht mir ins Handwerk, die Augenbrauen empathisch in der Stirnmitte sich spitz aufbäumend. Sie schüttelt den Kopf und deutet damit an, dass hygienische Keimfreiheit nun nicht mehr notwendig sei. Sie stoppt meine Hände; kommuniziert wieder nonverbal mit mir; mit sich nun sanft nach links und rechts schwenkendem Kopf. Es gibt keinen Anlass mehr das Zimmer keimfrei und steril zu betreten. Es herrscht keine Ansteckungsgefahr mehr für die Patientin. Ich sehe meine liebe Freundin. Allerdings in einer zerknirschten Körperhaltung wie nie zuvor. Dicke Tränen kullern über ihre Wangen, zwischen ihre Finger durch, die sie schützend als Auffangbecken für ihren Schmerz vor ihr Gesicht hält, damit die Tränen nicht in alle Himmelsrichtungen entweichen oder das Laken ihrer toten Mutter benässten. Ich spüre das Gefühl aus meinen Beinen entweichen. Als würde jemand mit einer Eisenstange rückwärts gegen meine Kniekehlen und meine Lendenwirbelsäule dreschen. Ich sinke auf den maroden Holzschemel links neben ihrem Leichnam, fasse nach Hildegundes Hand. Sie ist so warm. Ihre Haut ist nach monatelangem falem grau in grau durch die vielen Chemoterhapien das erste Mal rosig, ganz zart. Ihre Hände sind genau so warm wie die letzten Tage, als wir sie hielten, ihr Anekdoten vom Bauernhof erzählten, lustige Geschichten vom Hofhund und den hinterfotzigen Katzen, von den vielen Dingen, die sie noch erleben würde – wie wir hofften – und den vielen Menschen, die sie vermissen; von der Kraft, die wir ihr wünschen. Und wie sehr wir sie lieben. Wie ein Mantra strömten die Sätze aus uns. Tag für Tag, Stunde um Stunde. Nächtelang. Raum und Zeit verlieren in dieser Zeit ihre Bedeutung. Die UNI? Ist mir in dieser Zeit herzlich egal. Mein Studium wurde für diese Zeit gecancelt. Was interessierten mich wirtschaftliche Aspekte im Journalismus oder semantische Umberto Eco Ergüsse, gab es nur diese 9-monatige Sterbebegleitung mit weit geöffnetem Herzen zu Ende zu bringen. Auf die Gefahr hin, dass mein eigenes zerbricht. Eine der wichtigsten Missionen meines bisherigen Daseins. Ich möchte die warme Hand gar nicht loslassen, frage die Schwester immer wieder, ob sie nun wirklich tot sei. Ob das wirklich echt sei?

Foto Christine Kostner Photographie

Ich zwicke mir selbst in den Handrücken. Ich bin unsicher; kann nicht eindeutig sagen, ob das alles nicht doch ein Traum wäre. Ich streife mit zwei Fingern über meinen Nasenrücken, was zum damaligen Zeitpunkt eine der wenigen empfindsamen Stellen meines Körpers ist. Zu dieser Zeit war ich noch massiv entkoppelt von meinem Körper; von einem gesunden Körperbewusstsein Meilenweit entfernt. Die Schwester nickt, die zweite mit den zusammengepressten, nach oben getürmten Augenbrauen ebenfalls. „Kann bitte jemand das Geräusch ausmachen,“ schreie ich verzweifelt, um die Audiospur der Nulllinie in meinem Ohr zu beseitigen, damit sich diese nicht noch tiefer wie Messerstiche in meinem Brustkorb übersetzen kann. Sie stellen ab. Wir weinen wie nie zuvor. Unsere Blicke treffen sich. Dann blicken wir wieder abwechselnd, fast rhythmisch auf Hildegunde. Wir schluchzen und greifen unsere Hände über der Toten. Wir bilden einen Totenkreis, ganz unbewusst. „Müssen diese Schläuche in ihr drin bleiben?“, frage ich weiter voller Wut und Schmerz. Diese Giftautobahnen, die die letzten Monate scheinbar eins geworden waren mit ihr, in der Hoffnung sie aufgrund der massiven Vergiftung zum ground zero zerfallen zu lassen. Die Ärzte wollten einen master reset initiieren, einen totalen Wiederaufbau neuer, gesunder Zellen. Zwecklos. Alles. Ihre Haut ist jetzt gelb wie die letzten Tage. Ein multiples Organversagen nahm letzten Endes seinen Lauf. Ein Sterben bei vollem Bewusstsein sozusagen. Die höchsten Dosen Kortison und andere Gifte konnten den Schmerzgrad nicht mehr lindern. Und dennoch ist ein Teint rosé auf ihren Wangen zu erkennen. Zwischen dem Gelb. Wie ein Sonnenuntergang. Und kleine Anzeichen von nach oben gerichteten Mundwinkeln. Ich spüre Frieden. Kann ihn aber damals in diesem Moment nicht annehmen, weil ich so voller Wut, Hass und Schmerz bin. Ich blicke nach oben, an die Decke des Zimmers; danach aus dem Fenster. Die weißlich vergilbten Polyestervorhänge wehen im Wind, der auch einen Hauch Wiener Stadtflair mitbringt. Die Hektik von draußen sagt kurz Hallo zu unserer Wut; unserem Schmerz. Für einen 13. März ist es ein Temperaturmäßig schöner Tag, zwischendurch sogar sonnig. Und doch spüre ich mich in dieser Situation gar nicht mehr, sodass ich lügen müsste, sollte ich Auskunft über die tatsächlichen Wetterbedingungen geben müssen. Und doch hängt der Frieden am stärksten über uns. Auch wenn ich ihn nicht wahrhaben wollte. Niemand sagt etwas. Meine Freundin hat ihr Klapphandy wieder weggepackt, hat sie nun Vater und Geschwister informiert Sie ermuntert stark zu sein. Wir schweigen und weinen nur noch wenig. Weil wir nicht mehr können. Wir sind erschöpft. Die Giftautobahn-Schläuche dürfen nicht entfernt werden. Aus rechtlichen Gründen.

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Wie Hades auf dem Boot im Untergrund – wie es die griech. Mythologie wiedergibt – gleiten wir vom Ort des Geschehens in einen gegenüberliegenden Besprechungsraum. Es sind die beiden Krankenschwestern, die uns an den Ellenbogen so stützen, dass wir unsere Beine kaum einsetzen müssen. Daher das Gefühl des Gleitens. Die Protagonisten wechseln. Viel Blabla folgt, es ist ganz dumpf in unsere Ohren. Wir blicken uns immer wieder an und sind in unserer Schmerzlosigkeit und unserer Erschöpfung gefangen. Wieder verlässt jemand den Raum. Aber nicht ohne uns Unmengen an Dokumenten lesen und unterzeichnen zu lassen. Ich finde das lächerlich. Grade hat ein Mensch sein Leben ausgehaucht. Für mich geht die Welt unter. Ich möchte selbst sterben, um den Schmerz nicht ertragen zu müssen. Und du, Mensch vor mir, schiebst mir Papiere unter, um deinen Hintern zu retten? Um die monatelang andauernde Versuchsreihe, die wir alle ungesühnt präsentiert, abgenickt und voller Hoffnung zugelassen haben, rechtlich Konsequenzfrei zu halten? Lauter Egos, die Angst haben vor Folgen, Hetze naher Angehöriger oder einem teilgeschädigten Expertenstatus? Wow, ich bin geschockt ob dieser Bürokratie, die unmittelbar auf das Sterben folgt. „Wir hören wohl auch nach dem Tod nicht auf dem Staat zu gehören“, denke ich, während ich meine Unterschrift in noch nie dagewesenem Unleserlichkeitsgrad dahin fetze. „Ist das überhaupt mein Name? Bin ich das?“, denke ich. Selbst der Stift scheint gummiartig nachzugeben, sodass ich gefühlsmäßig durch das Papier den Tisch und die vielen Schichten Vinyl, Beton, Dämmmaterial und wahrscheinlich ein bisschen Asbest rattere. „Alter, hab ich auch einen Esslöffel von dem Psycho-Zeugs bekommen?“, höre ich mich erschrocken denken; der Herzschlag rapide ansteigend. Einmal reißt sogar das Papier, weil jedwede Motorik oder Feingefühl sich in Luft aufgelöst hat. Irgendwann nimmt die Tortur doch ihr Ende.

Wir stopfen uns samt der riesigen Patienten-Eigentum-Sackerl in die Bim. Irgendwo auf dem Weg höre ich „Chasing Cars“ von Snow Patrol. Ein Song, der mich jahrelang negativ getriggert hat, sodass diese schmerzerfüllte Ohnmacht mich jedes Mal von 0 auf 100 in 1 Sekunde einholte; mich hat weinen und verzweifeln lassen. Heute – 10 Jahre, 233 Tage nach diesem so bedeutsamen Sterben weiß ich, dass Krankheit multifaktoriell ist. Dass es zwecklos ist die Ärzte zu hassen, die vieles ungeprüft erprobt haben, oder den Sündenbock im religiösen Kontext zu suchen der sich aufplustert zu einem großen Weltschmerz und den Sinn an allem vergessen hat. Ich denke ganz oft an das vergilbte Gesicht mit dem rosé Touch und dem sanftem Lächeln. Ich denke an den Frieden und an die Erlösung und Befreiung, die dem Tod schon auch innewohnt. Ehrlich zugegeben. Wozu geboren werden, wozu sterben? Die ewige Sinnfrage bleibt unbeantwortet. Und selbst wenn wir Menschen die Weiten des Himmels und der Erde und der da draußen liegenden Galaxien weiterhin vermessen, diese existentiellen Fragen sollen wohl unbeantwortet bleiben.

Über Sinn und die Sehnsucht nach selbstkonstruiertem Leiden

Für mich liegt der Sinn genau im exakt bewussten Erleben des Lebens, aber auch des Sterbens. Möglichst klar und intensiv. Das ist alles was zu tun bleibt. Diese existentiell alles entscheidenden Augenblicke, vor denen du deine Augen verschließen kannst, oder endlich klar sehen lernen kannst. Dieses Sterben hat mir gezeigt, dass das alles hier viel viel größer ist, als ich es bis dahin anzunehmen wagte. Wer bin ich wirklich? Wer möchte ich sein? Was gibt mir wirklich Sinn? Dieses Sterben hat mich zwar fast erschlagen vor lauter Bewusstheit und Echtheit, aber auch einen für mich existenziell notwendigen Prozess in Gang gesetzt. Retrospektive gesehen radikal in die für mich richtige Bahn gebracht. Diesen wichtigen Menschen zu verlieren hat mir gezeigt, was für mich wirklich wirklich wichtig ist: Meine Gesundheit und die meiner Liebsten. Zeit mit den Menschen zu verbringen, dich ich liebe. Aktivitäten nachgehen, die meinen Brustkorb fast zerspringen lassen vor lauter tanzendem Herzen. So viel es nur irgendwie geht zwischen dem dringenden Bestreben immer besser, schneller, gebildeter, monetär erfolgreicher, schlanker, wohlhabender, ehrgeiziger, besser als mein Gegenüber zu sein. Das alles ist Ego. Das Schöne wird mit dem Negativen mitgeliefert. Es ist da. Es war schon immer da.

Mein Herz sagt zu deinem: Ruf den Bruder an, mit dem du gemeinsam seit einer Ewigkeit und drei Tagen einen Tonnen schweren Emotionsanker voller nichts sagender, negativer Argumente herumschleppst. Geh mit der Freundin Kaffee trinken, von der du dachtest, sie sei der Mensch, der dich im Leben am Meisten hat hängen lassen.. Sag, den Menschen, die dich verletzt haben, was Sache ist. Sag den Menschen, die du liebst, dass du sie liebst. Öffne dein Herz. Denn du weißt nicht was morgen ist, oder ob du morgen noch bist. Nichts passiert ohne Grund. Nicht einmal der Tod. In allem Schweren liegt auch etwas Schönes. Hildegunde hat 4 gesunde Kinder zur Welt gebracht und ein Vermächtnis hinterlassen, dass ich noch heute zu einem meiner größten Schätze zählen darf: Bewerte den Menschen vor dir nicht. Strahle ihn an mit all deiner Liebe, Wärme und Güte. Schließ ihn in den Arm. Frage nicht wer er/ sie gestern war, welche klugen Ausbildungen er/ sie vorzuweisen hat, wie hart er/ sie arbeitet. Niemand muss etwas beweisen, um geliebt zu werden. Es genügt einfach nur zu sein. Diese Lebenslektion ist unfassbar kostbar für mich, sehe ich sie in der Küchentür ihres Bauernhofes mit weit ausgestreckten Armen und einem derart strahlenden Lächeln, wie es mir vorher niemand je ohne Leistung meinerseits als Gegengeschäft zu erwarten, entgegengebracht hat. Ihr Leben war so sinnvoll. Wie könnte ich mir also erlauben, dass ihr Sterben es nicht war. Loslassen. Annehmen meines begrenzten materiellen Seins-Zustandes. Sie schenkte mir Liebe, einfach weil ich ich war und sie sie. Das würde ich nicht nichts nennen.

Foto Christine Kostner Photographie

Heute weiß ich, dass der Tod auch ein Ausweg sein kann. Nicht auf einer bewussten Ebene; nicht im Sinne von Ich-wähle-den-Freitod. Nicht für mich, weil er in meiner Wahrnehmung ohnehin schnell genug kommen wird und ich das Leben mit jeder Faser meines Körpers, mit allen Hochphasen, musikalischen Feuerwerken, beruflichen und privaten Erfolgen, aber auch den ganz düsteren Tagen, an denen die Hoffnung scheinbar gen Süden geflogen ist. Ich bin definitiv Anhängerin der pro-life-Lebensphilosophie. Aber was Hildegunde die letzten Tage ihres Lebens, in denen sie noch fähig zu sprechen und ihre Lungen noch mit wenig Flüssigkeit gefüllt war, schon in einzelnen Silben oder halben Sätzen durchklingen lies war, dass sie „ihr Packerl“ (ihre Lebensaufgaben) einfach immer mitgeschleppt hatte. Sie dachte, dafür geboren zu sein, unglücklich zu sein. Und dieses Unglück ist eben auszuhalten. Aus heutiger Sicht bin ich schon der Meinung, dass Gesundheit viele Ebenen hat. Abgesehen davon, dass ich keine Medizinerin bin und hier keinesfalls medizinisch valide Aussagen in den Raum stellen möchte, nehme ich mir das Recht heraus, aus meiner Erfahrung zu sprechen. Noch nie – ich betone NOCH NIE – war ich krank, ohne dass nicht in meinem Kopf oder meiner Seele ebenfalls etwas aus dem Gleichgewicht war. Keinen einzigen Tag. Stets war auch auf anderen Ebenen etwas aus dem Gleichgewicht. Falls dir das bekannt vorkommt, wird es vielleicht an der Zeit sein – auch für dich lieber Mensch, der das hier grade liest – dich mit dir und „deinem Packerl“ zu beschäftigen. Mach es auf, schau hinein, sei schockiert, sei überwältigt, schreie, weine, kreische. Tu was nötig ist, um diese Überforderung Leben zu lassen. Und dann fang an zu heilen. Ab heute bis in 20, 30, 40, 50 Jahren. Denn dieses Heilen darf gerne den Rest deines und meines Lebens dauern. Das hab ich mir für mich als größtes Lebensziel vorgenommen: Mich ein Stück weit selber kennenlernen, mich entfalten, mich lieben. Alles was noch als extra kommt, verstehe ich als Bonus. Ich liebe und schätze das Leben. Jeden Tag. Es vergeht kein Tag, keine Stunde/ Minute in der ich nicht daran denke, dass das alles hier vergänglich ist. Dieser Gedanke ist kein Fehler mehr in meiner neuronalen Programmierung. Er ist kein lästiges Pop up, dass ein Fehler im Browser darstellt, weil es wieder und wieder erscheint. Er ist ein Geschenk, der sich zuverlässig wie eine Nähmaschine eine Stichlänge exakt an die nächste setzt,  in mein Tagesgeschehen einfügt. Und ich hab mich so lange irgendwie verkehrter gefühlt, als die Menschen um mich herum. Weil ja niemand darüber spricht. Ich spreche darüber. Oft. Immer. Manchmal führe ich darüber stundenlange Monologe und die empfinde ich als sehr heilsam. Manchmal traut sich auch ein Gegenüber darüber mit mir zu sprechen. Das empfinde ich dann energetisch als doppelt heilsam. Das nimmt dem Tod die Ohnmacht, die Größe, die Furcht, das Gefühl ihn um alles in der Welt verdrängen zu müssen. Das Hinschauen gibt mir viel mehr Kraft, als die Augen davor zu verschließen. Diesen Kraftaufwand, das eigene nicht mehr Sein mit aller Anstrengung von mir wegzuschieben, bin ich nicht mehr fähig aufzubringen. Ich hab alles versucht, um die Vergänglichkeit nicht existieren zu lassen: Übermäßig viel Alkohol konsumieren, zu viel Essen, das hundertfünfunddreißigste Kleidungsstück in Konsumhöllen kaufen, um begehrenswerter, lebendiger zu sein; flüchten in definitiv viel zu viel Arbeit u.v.m. Sterben ist etwas Beängstigendes, Abstraktes. Etwas Unvorstellbares. Wo bin ich dann? Was passiert mit diesem ganzen Fleischhaufen? Gut, kognitiv und biologisch ist mir klar, dass der vermodert und entweder im Erdreich durch Millionen Mikroorganismen, Wurmtierchen und anderes gefräßiges Kleintier zersetzt wird. Na dann Mahlzeit! Oder von der Fleischmaterie bleibt nach einer – wie ich finde sehr reinigenden, heiligen – Feuerbestattung ein wenig Asche übrig. Staub also, nach so viel Schall und Rauch. Nach meinem ganzen Leben, dem ich so viel Ego Aufmerksamkeit schenke, mich über mein tiefrotes Bankkonto mit den niedrigen Zahlen ärgere oder vor wenigen Jahren noch über die drastisch rotierende Nadel auf der Personenwaage. Whatever – das Leben ist trotzdem schön. Dabei bleib‘ ich. Im Schmerz liegen Geschenke, im Tod liegt Hoffnung. Ich freu‘ mich des Lebens und wünsche dir, dass du grade heute am Tag der nicht mehr lebendigen Toten und Heiligen ganz besonders dankbar bist für dein pochendes, mutiges Herz!

Was denkst du? Ich wünsche mir für dich, dass ich dieses Sterben hier so bildhaft darstelle, reißt dich nicht in ein tiefes schwarzes Loch aus Traurigkeit und Weltschmerz. Viel mehr freue ich mich, wenn du deine Erfahrung mit mir und der community teilst.

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26. Oktober, 2017 By Heidi Lampret

Planeten, Kollisionen, Schmerz und Wiederaufbau

Foto Planetarium Klagenfurt

Ich war unlängst im Planetarium Klagenfurt zu Gast. Ganz unverhofft nahm ich an der Vormittagsvorstellung teil. Tja, das ist einer der Vorteile in der Selbstständigkeit. So kurzfristige „Ausreißer-Aktionen“ sind da gut möglich. Die Vorführung war für eine slowenische Reisegruppe gedacht. Mittels Audio-Guide konnte ich diese (für mich leider offene) Sprachbarriere überwinden. Phantastisch, das Licht ging aus und ca. 135 Mobiltelefone blitzten in Richtung Kuppel. Dieser 24h-non-stop-online-Wahn ist ganz schön enorm! Es wurde eifrig geshared und geliked auf vielen social media Kanälen. Ich lies mich hingegen voll und ganz auf den Streifzug durch die Entstehungsgeschichte der Welt ein. Mit mir auf Reisen: Meine liebe Blogger-Freundin Cat-Active-Life. Für 60 Minuten ganz schön viel Input. Die Kinnlade habe ich heute noch nicht ganz geschlossen. Krass ist das! So viel Energie und Materie, die sich zur selben Zeit in Bewegung setzt. Viel Quanten- und Zellteilung, viel Zusammenbruch und Kollision, ziemlich viel Wirr Warr und physikalische Kräfte. Und siehe da: Da ist sie, die Welt und mit ihr der Mensch, der dieses einzigartige, nicht zu hinterfragende Wunder stetig prüft, zu kontrollieren versucht (und manchmal glaubt das tatsächlich geschafft zu haben. Wie töricht.). Die Welt mit ihren verrückten Menschen, die sich nicht zufrieden geben möchten mit den vagen Antworten nach dem Sinn des Lebens. Ich glaube mittlerweile, dass es nichts zu hinterfragen gibt. Ist es nicht möglich, dass das Leben, die Existenz unseres Sonnensystems und aller übrigen Milliarden Sonnensysteme einfach IST. End of the story? Nicht mehr, nicht weniger. Diese vielen Teilchen, die quantenphysikalisch einfach ganz schnell schwingen, werden das eines Tage nicht mehr tun. Und irgendwann dann doch wieder. Auch du schwingst grad jetzt in diesem Moment. Du bist molekular gesehen ein Sammelsurium aus Teilchen. Manchmal hochfrequentig schwingend, manchmal weniger. Das Leben ist jetzt. Dieser Gedanke gefällt mir und hält mich davon ab, auszufragen aufgrund meines mangelnden Intellekts und meiner Angst vor diesem großen, schwarzen Nichts.

Foto Theresa Pewal Artist Portraits

Interessant fand ich auch, die Entstehung des Mondes, seiner Umlaufbahn inkl. seiner jetzigen Position zur Erde. Die Entstehung des Mondes wird seit Jahrhunderten diskutiert. Seit Mitte der 80er-Jahre geht man davon aus, dass der Mond nach einem seitlichen Zusammenstoß der Proto-Erde (also ein Prototyp unserer heutigen Erde) mit einem etwa marsgroßen Körper, damals Theia (= auch wieder ein Prototyp eines Planeten. Lustig schreibt und liest sich das) genannt, entstanden ist. Theia wurde der Theorie nach völlig zerstört. Die übrig gebliebenen Bruchstücke sammelten sich in der Erdumlaufbahn. Genau genommen ist nach dieser Kollisionstheorie ein großer Teil der abgeschlagenen Materie beider Körper in eine Umlaufbahn um die Erde gelangt und hat sich dort zum Mond geballt. Dieser neue Planet zog eifrig Materie an, wurde größer und größer. Das Resultat ist der Mond. Die Spuren der Kollision – dieses gewaltigen Kräftewirkens – sehen wir heute noch als Mondflecken (schwarze Mondkrater). Physikalische Kräfte ohne Ende. Es kommt was zusammen, es fällt was weg. Der Urplanet stößt gegen die erste Version der Erde und beschädigt diese massiv, sodass sich die Grundstruktur des blauen Planeten, wie wir ihn heute kennen, langsam entwickeln kann. Die Wasser- und die Erdmasse sortierte sich neu. Unfassbar! Schon als Kind hab ich mich oft gefragt, wo eigentlich das viele Schwarz drin hängt. Aber an dieser Stelle wird dann immer alles abstrakt und skurril. Wie sterben, tot sein, die Farbe des Himmels, den mit Flüssigkeit gefüllten Brustkorb eines Säuglings, der eben geboren plötzlich ganz automatisch nach Sauerstoff verlangt oder wie sich gelbe, steinharte Maiskörner zu weißem, knackigem, herrlichem Popcorn transformieren können. Alles too much für mein kleines Köpfchen.

Tja, jedenfalls weiß ich jetzt, dass dieser Urplanet heute der Mond ist. Ein Planet, der uns täglich grüßt und vom Himmel romantische Nächte bereitet. Manchmal auch stürmische. Manchmal laute. Manchmal ganz heimelig-leise. Viele Lieder wurden über die Nacht verfasst und diesen magischen Mond. Viele Naturgesetze werden durch den Mond beeinflusst, der Mensch – um nicht zu sagen – von ihm gelenkt (vgl. Schlafwandeln, Mondkalender orientiertes Heimwerkern und Haare schneiden, regelmäßig-kollektive Monatsblutung. Erst mit der Erfindung künstlichen Lichts wurde dieser Rhythmus individualisiert etc.). Bekannte Songs dazu wären: Moonriver, Der Mond ist aufgegangen, Man on the Moon (REM), Moondance (Van Morisson), Lady Sunshine & Mr. Moon (ein echter Klassiker von Conny Froboess und Peter Weck 🙂 )u.v.m. Hach, alles schöne Lieder. Und doch ist da so viel organisierter Rumor und Wandel. Da herrschen so viele unerklärlich starke, menschlich unbeeinflussbare Kräfte. Sehr beeindruckend finde ich das. Die Kinnlade sackt weiter nach unten. Mein Respekt wächst hier weiter Zeile für Zeile. Ein Satz, der sich im Planetarium besonders manifestiert hat, während die Nackenstarre massiver und meine Ehrfurcht drastischer anwuchsen ist folgender: „Nach jeder Katastrophe erblüht das Leben neu.“ Es braucht dieses Auf und Ab. Aufbau – Wachstum – Zerstörung – Verfall. Wir sind hier um zu wachsen, zu reifen, zu lernen, uns weiter zu entwickeln. Und um eines Tages wieder zu unserem Ursprungszustand (?) reiner Energie zurückzukehren. Vielleicht jedenfalls.

Foto Christine Kostner Photographie

Zeit ist eine psychologische Erfindung, materieller Reichtum ebenso. Ego-Gesülze über Schönheit, ewige Jugend, Erfolg, monetäre Meilensteine, BWL-Gelaber über 10-Jahrespläne. Kannste knicken! Also nicht knicken im Sinne von „Bildung wäre nicht wichtig.“ Das muss ich ganz dringend klarstellen! Was ich meine ist: Das Leben passiert so oder so. Auch wenn ich noch so sehr versuche alles im Griff haben zu wollen. Die dunkle Materie da draußen bewegt sich genau wie in mir. Auch wenn ich das Dunkle nicht wahrhaben möchte. Es flutet meinen emotionalen Bewusstseinsradar und meine Tränenkanäle ohnehin immer wieder ungefragt. Mir ist dieser Artikel sehr wichtig! Klar hab ich in Physik und Geographie aufgepasst. Aber, dass der Urknall eigentlich kein Knall war, sondern vielmehr ein kollektives in Bewegung setzen, drehen, kreiseln, wirbeln, anziehen, abstoßen; daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Dass eigentlich große, scheinbar unzerstörbare Krone-der-Schöpfung-Lebewesen – die Dinosaurier – durch einen einzigen großen, glühenden Gesteinsbrocken aus dem Weltall ausgelöscht wurden, das weiß ich dann wiederum. Woran ich mich im Planetarium erinnerte, war, dass das mit großer Wahrscheinlichkeit wieder passieren wird. Ich schreibe das nicht, um die Angst zu schüren. Weltuntergangsszenarien finden sich in Kinofilmen genügend. Ich schreibe das mit der dringenden Empfehlung an mich selbst und an dich, dass wir das Leben mehr leben, anstatt es zu planen oder mit Tortendiagrammen in eine hässlich kleine Version zu verwandeln. Sodass das, was eigentlich als großes Wunder gedacht war, vor lauter Unbewusstheit und Streben nach Unendlichkeit maximal als kleiner Pausenfüller zwischen der 8 Uhr Schularbeit, dem 13 Uhr Meeting oder der Hundekastration um 16 Uh vor deinem inneren Auge auftaucht. Und kurz danach wieder verschwindet durch die vielen social media Pop up’s auf deinem Smartphone. Das Leben ist es Wert, gelebt zu werden. Ohne Kompromisse. 100% gelebt. Mit allem Schönen, aber auch mit allem Dunklen; mit allem Schmerz. Das passt schon alles wie es ist, was manchmal gut ist und uns erhellt und manchmal eben vor lauter Schmerz umbringt; uns den Verstand kostet.

All das dämmerte mir wieder. Und, dass das aus welchen universellen Grundprinzipien auch immer wieder geschehen wird, ist mir auch klar. Ein ganzer Planet kann an 1 Tag zerstört werden. Und für dich und mich ist es schon ein Weltuntergang, wenn die korrekte Haartöung ausverkauft ist, der unbeliebte Kollege das Lob für deine Arbeit bekommt, dein Partner dich für eine(n) 10 Jahre jüngere Version von dir verlässt und so weiter. Die Dramen, die uns das Leben täglich präsentiert sind gar nicht so heiter, auch wenn ich mir hier diesen fast lächerlich wirkenden Vergleich anmaße. Deine und meine Konflikte, die sind schon ernst! Die sind schon echt! Versteh mich nicht falsch. Ich will sie nicht wegrennen vor lauter Universums-Phantasien. Es kommt jetzt auch keine klassische Standpauke von wegen „Das sind alles first world problems oder Luxusprobleme.“ Abgesehen davon, dass es nur 1 Welt gibt, auf der wir verrückten Menschen alle wohnen – zumindest eine Zeit – sind deine und meine Konflikte echt. Sie sind da. Und Konflikte streben nach Lösungen. Sonst würden sie uns Beide nicht ständig einholen. Worauf ich hinaus möchte, ist die Klarheit und das Bewusstsein darüber, dass sich der Ärger über die hohe Abschlepprechnung, über die Autotür, die dein Kind beim Spielen ramponiert hat, über die Finanzierung deiner nächsten Mahlzeit echt sind. Sie sind schmerzhaft. Aber sie sind auch lösbar. Ich bin der Meinung, dass das Leben eine Reihe von Ansammlungen an Gelegenheiten für kreative Lösungen ist. Huch, holpriger Satz, aber genau so gemeint. Diese Sehnsucht nach Schmerzfreiheit ist eine Illusion. Die Frage ist nicht „Wie glücklich möchte ich sein?“ sondern „Wie viel Schmerz bist du bereit zu ertragen?“ Denn darin ist das Glück ganz nebenbei mit in begriffen. Es wird schon mitgeliefert. Es gibt nie nur das Eine oder nur das Andere in unserem Leben. Eine Lieferung all-inclusive sozusagen. Aber bitte vergiss auch nicht, dass du & ich, dass wir auch mitten in einer sehr großen, unbegreifblichen Sache drin sind. Wenn du kaufen willst, kauf. Wenn du streiten willst, streite. Wenn du leiden willst, leide. Tu, was nötig ist, um das Leben, diesen verrückten blauen Erdball, der sich in diesem Moment dreht, du aber nicht („Wie zum Teufel ist das möglich?“, fragt der kindliche Anteil in mir!) annähernd zu begreifen. Tu, was nötig ist, um dich in  diesem deinem Leben gut zu spüren. Tu, was nötig ist, um bewusst bei dir und diesem tollen Leben anzukommen. Falls du auch Lust hast auf einen universellen Flash, kann ich dir einen Besuch im Planetarium Klagenfurt empfehlen. Der Eintritt kostet € 10,-. Die 60 Minuten Lebenszeit sind bestens investiert. Das ist keine bezahlte Anzeige, aber eine menschlich getragene. Enjoy the day, verändere die Perspektive auf dich und dein Leben. Bleib wachsam! Ich versuch das auch.

Ich freu mich über deinen Kommentar. Was ist dein Input zur Entstehung der Welt? Wann und wo hast du schon mal einen Weltuntergang erlebt? Alles Liebe für dich – LCC. #showupstayreal #puttheuniverseinwords

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21. Oktober, 2017 By Heidi Lampret

Mein Körper, meine Regeln: Bewusstheit ist stärker als Selbsthass

Foto Theresa Pewal Artist Portraits

Du kannst Tonnen an Make-up verwenden, um alles Schwarze zu kaschieren: deine Augenringe, deine Pigment/ Altersflecken, deine schwarze Seele. Für dein Gegenüber bleibt all das dennoch sichtbar. Ich hab knapp 27 Jahre gebraucht, um zu verstehen was für ein Wunder mein Körper ist. Ich bin nicht perfekt für irgend jemanden, aber ich bin perfekt für mich. Hier 8 meiner vielen Mankos:

  1. Ich habe viele Narben von den Abenteuern im Wald mit meinem Bruder und den Nachbarskindern.

  2. Ich habe zahlreiche Dellen an meinen Oberschenkeln und für den Großteil der modebewussten Konsumbevölkerung für unschön befundene Zitrusfruchtähnliche-Haut. Dass diese wiederum hässlich sei, haben auch wiederum murds gescheite Gurus so definiert.

  3. Ich habe viele blaue Flecken, immer wieder.

  4. Ich habe Sommersprossen, die sich besonders in der heißen Jahreszeit wie Heuschrecken vermehren und Altersflecken ähneln.

  5. Ich hab Naturhaar in der Farbe: Kärntner Mausgrau.

  6. Ich hab Haare auf den Ansätzen meiner großen Zehen.

  7. Ich hab eine Art dritte Brustwarze auf meinem linken Brustbein. Eigentlich ist es eine Mischung zwischen einem Leberfleck, einem Muttermal mit Warzenambitionen. Wirklich hübsch ist das nicht.

  8. Ich tendiere zu latent-permanent unreiner Haut, die viele SupermarktverkäuferInnen dazu aufruft mich beim Kauf von Spirituosen nach dem Ausweis zu fragen.

Hier meine Haltung zu den eben genannten 8 Punkten (Am besten nochmal doppelt lesen. Ist gut fürs Auge. Rauf-runter-rauf-runter. #augenyoga):

  1. Es war eine unfassbare geile Zeit, denn ich bereue kein einziges der Abenteuer. Jede Schramme/ Kerbe erzählt eine Geschichte.

  2. Ich liebe jede Delle, denn sie erinnert mich daran, wie oft ich zu lange an Arbeiten für mich oder Andere gesessen habe oder an Arbeiten für unterbezahlte Jobs. Und sie erinnern mich an den vielen Zucker und die fettigen Snacks, die ich mir deshalb aus Frust, Zeitmangel oder Unbewusstheit 10 Sekunden durch meine Speiseröhre gejagt habe und die nun mein Leben lang an den Hüften vor sich hin schwabbeln. Was wiederum bestens in mein konstruiertes Frauenbild passt, welches mehr Marilyn ist als Posh-Spice. 🙂 Was ich sagen möchte: Ich will aufhören meinen Körper mit so viel unsinnigen Nahrungsmitteln voll zu stopfen. Die Tage an denen ich ein „dickes Fell“ brauchte, sind vorbei. Es ist Zeit für ein leichtes, schönes Leben.

  3. Sie erinnern mich nicht so grob und hart mit mir umzugehen; mich zu lieben. Die blauen Flecken erinnern mich daran, dass es sanftere Wege gibt, um mit mir und meinem Körper ins Spüren zu kommen. Die Härte war lange Zeit wichtig, aber heute darf ich sie gehen lassen.

  4. …und die mag ich trotzdem sehr gern!

  5. Okay, ich geb‘ zu, ich hab mir mittlerweile blonde Strähnen machen lassen bei meinem einmal-pro-Jahr-Friseurbesuch. Sorry! Das bisschen pimpen musste sein. Ein bisschen glamour schadet nie!

  6. Alle Anti-Fuß-Menschen müssen jetzt bitte weg-lesen. Is so! Wäh!

  7. Aber sie ist halt Teil von mir.:-)

  8. Das ist immer das Indiz dafür, dass ich grad nicht ehrlich mit mir bin, nicht offen meine Gedanken ausgesprochen habe, dass ich zwischenmenschlichen Stress habe, die Sprache meines Körpers wiedermal nicht übersetzen kann (das kleine Übersetzer-Äffchen hat manchmal Urlaub oder isst grad Bananen und schaut sich alte Knight-Rider Folgen an) oder dass ich schlicht und einfach Punkt 2 (Ernährung) missachtet habe; grad wegen der Aufzählungen im vorherigen Satz. Und btw ich bin schon in einem Alter wo ich gerne jünger geschätzt werde. Abgesehen davon ist das mit dem Alter sowieso eine widersinnige Sache. Wir werden ja eh alle älter. Insofern…pfffff….what shells.

Foto Christine Kostner Photographie

Ich mache viel Sport, viel Spaß, ich springe gern in Regenpfützen bei massivem Platzregen, liebe den Wechsel zwischen Tag und Nacht, liebe es, knackigen Salat zu waschen und zu marinieren oder die selbstgemachten Käs’nudeln ins kochende Wasser zu werfen, während ich zu Thunder auf- und ab jumpe. Ich weiß wie es ist, sich mit 13 in viel zu weiter Kleidung zu verstecken, weil die coolen Jungs dir G’nackwatschn verteilen, weil du noch nicht ganz so viel „Vorbau“ vorzuweisen und/ oder zu viele Pickel hast und nicht die neuesten Jugend-Gadgets besitzt*, die ein Gefühl von Zugehörigkeit heucheln. Ich weiß was es heißt eine Diät nach der nächsten zu versuchen, wieder 0,5kg an Gewicht zuzulegen. Ich kenne die vergleichend-eifersüchtigen, sich selbst geißelnden Blicke, sobald ein schönes Mädchen deinen Weg kreuzt. Ich weiß was es heißt den eigenen Körper zu hassen und vor dem Spiegel stehend zu heulen.

Aber weißt du, die Lösung für ein gesundes Körperbewusstsein war – in meinem Fall jedenfalls – unmittelbar vor meiner Nase. Die ganze Zeit über. Ich Ich habe immer im Außen gesucht, verglichen, gehungert, übertrieben gesportelt, übertrieben gegessen, gegessen wenn ich glücklich, zufrieden, besonders strafend war; ich hab geweint, mich verkrochen, in viel zu weite Kleidung geschwungen, mich klein und unbedeutend gefühlt, ich war von Neid und Gier zerfressen, meinen Schlankheitswahn endlich in die Realität umzusetzen. Denn dahinter stand meine Phantasie, ich wäre dann ein liebenswerter, wunderschöner, absolut glücklicher Mensch. Die perfekteste, liebenswerteste, begehrenswerteste Version von mir. Kollidiert hatte diese Vorstellung mit dem Fakt, dass ich mein Frau-sein unglaublich abstoßend fand. Wurde ich doch erzogen, um möglichst hart zu arbeiten. Bis die Finger wund sind und dann nach Möglichkeit noch ein bisschen härter. Jeder Snack bedeutete einen Schritt rückwärts. Einen Schritt weiter weg von diesem Leben, dass ich irgendwann führen wollte. Ein Leben, dass ich so an mein Aussehen knüpfte. Mein Lebensglück, dass ich mit oberflächlichen Zielen zu erreichen glaute. Dabei war die Lösung immer in mir. Es ist mir wichtig, das nochmals zu betonen. Denn ich bin der Mensch/ die Frau, die ich immer im Außen suchte. Schon jetzt. Wie geil ist das denn?? Der Wahnsinn!!

Die Herausforderung war mich anzunehmen. All diese Jahre dieser Selbsthass, diese Zweifel, diese Sehnsucht auf ein nie eintreffendes Leben. Dabei war genau die Selbstliebe im Hier und Jetzt die Aufgabe. Dieser Körper pumpt täglich Unmengen an Blut durch Körper und Extremitäten. Dieser Körper reproduziert die gesamte Zellstruktur innerhalb eines Tages neu. Er reorganisiert sich bei Viren oder Keimen (alleine im Darm, man bedenke was da abgeht). Er sorgt dafür, dass die Schleimhäute in Takt sind. Er lässt mich träumen und wach sein. Er lässt mich sprechen, denken, fühlen. Was für ein Wunderwerk. Da wird es ja wohl nicht zu viel verlangt sein, diesen Körper ein wenig zu warten, ihm natürliche Nahrung, ausreichend Flüssigkeit, Ruhe und Liebe zu gönnen. Unglaublich, mein Hirn und Bewusstsein arbeiten 24h täglich, ohne Pause, ohne Updates oder Wartung! Ich denke „greifen!“ und meine Hände greifen. Ich denke „laufen“ – und ich laufe. Wie phantastisch ist das denn?

Foto Theresa Pewal Artist Portraits

Manchmal bin ich so glücklich mit und in mir drin, dass ich gerne alle 10 Sekunden auf die Knie fallen und Danke sagen würde. Ich bin ein Wunder. Genau wie du, lieber Mensch, der diesen Beitrag grade liest. Wenn Babies geboren werden, sind wir immer fasziniert. Wir sind stolz wenn sie lachen, besorgt wenn sie weinen, amused, wenn sie pupsen, erleichtert wenn sie die Windel prall füllen und klatschen euphorisch, wenn sie ihre ersten Schritte tun. Spätestens während der Pubertät hört die Begeisterung auf, und alles schwappt in Genervtheit – für alle Parteien – und knallende Türen über, sind da wo einst offene Arme waren nun verschränkte Arme, ob des Unverständnisses.+

Wir werden erwachsen und vergessen, dass wir das Wunder  sind. Wir vergessen dankbar zu sein. Ich habe 27 Jahre vergessen dankbar zu sein. Und dafür schäme ich mich. Ich entschuldige mich täglich bei meinem Körper. In jeder Krise oder schwierigen Situation meines Lebens war – quasi als dramaturgische Draufgabe – mein letzter Gedanke: „Und ein fettes Schwein bist du auch noch!“ Wie krass ist das denn bitte? Keiner Freundin, keinem meiner liebsten Menschen würde ich je so harte Worte entgegen bringen. Aber bei mir selber konnte ich das ja so viele Jahre machen. Wirklich, du heiliger Körper, danke für deine großartige Arbeit Tag für Tag, Nacht für Nacht.

Ich weiß nicht, ob diese #bodypositivity ein statisches Bewusstsein bleibt. Ich denke nicht. Es wird immer wieder Tage geben, an denen ich meine Dellen im Fokus habe oder das Gefühl, meine Nase wäre irgendwie zu pompös. Aber diese grundlegende Dankbarkeit ist prinzipielll jeden Tag da. Und das war fast 3 Jahrzehnte Arbeit. Ich leibe meinen Körper. Wie er ist, ist er richtig. Ich verschwende meine Lebenszeit und -energie nicht länger, jemand zu sein, der ich nicht sein soll bzw. der ich nie sein werde aufgrund meiner größenwahnsinnigen Ansprüche an mich selbst. Denn niedriges Selbstwertgefühl ist wahrlich eine Sünde. Wir werden an 1 Tag geboren, wir sterben an 1 Tag. Es können große Dinge an nur 1 Tag geschehen. Warum also nicht heute, an diesem Tag entscheiden glücklich, dankbar und voller Liebe für den eigenen Körper sein? Lass es uns versuchen, lieber Mensch. Alles Gute dafür!

Deine innere Haltung macht dich lebenshungrig, freudestrahlend, unwiderstehlich verführerisch, echt. Wie geht’s dir damit? Womit haderst du? Was liebst du an deinem Körper – wofür bist du ihm dankbar?

Filed Under: Blog Tagged With: #angst, Annehmen, Bewusstes, Bewusstheit, bodypositivity, Coping, Echt sein, Echtes, embrace, Freude, Hier und Jetzt, Hoffnung, ICD10, innerer Kampf, Jetzt, Kooperation, Lady Cupcake, Liebe, Loslassen, Miteinander, Neustart, nicht aufgeben, Psychologie, Psychotherapie, Selbsthass, selbstliebe, Selbstzerstörung, Transformation, true stories, writer

4. Oktober, 2017 By Heidi Lampret

Annehmen & Loslassen

Ich habe die heutige Alltagsheldin vor nun mehr als 5 Jahren im Zuge des Psychotherapeutischen Propädeutikums (= Erste Ausbildungsphase PsychotherapeutIn) an der AAU-Klagenfurt kennen gelernt. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, es war Liebe auf den ersten Blick. Zwei Seelen, die sich sofort magnetisch anzogen. Nicht selten fanden wir uns daher intensiv, stundenlang plaudernd im Innenhof der Universität wieder, anstatt den analytischen Freud-Kurs zu besuchen. Wir haben unsere Geschichten, Leben miteinander geteilt; uns unsere freudigen Gesichter, aber auch unsere dunklen Anteile sofort gezeigt. Mir kommt’s vor, sie schon ewig zu kennen. Ich bin dankbar für unsere Freundschaft und darf dir Alltagsheldin Melitta heute vorstellen.

Foto: HL-Photography

LCC: Wer bist du?

Melitta: Ich bin Melitta Narovnigg-Katschnig und lebe in Eberndorf. Ich bin seit 21 Jahren mit Rupert verheiratet. Wir haben eine Tochter – Hemma. Mittlerweile sind wir wieder allein zu Hause, weil sie zum Studieren in Wien lebt. Vor 11 Jahren hatte ich einen Unfall. Ich war mit dem Rennrad für einen Triathlon trainierend unterwegs. Das Jahr 2006 vergesse ich nicht mehr. Ich bin am 20. Juli 2006 mit dem Rad losgefahren und 9 Monate später im Rollstuhl wieder nach Hause. Ein Auto nahm mir die Vorfahrt. Es ist viel geschehen in diesen 9 Monaten. Das Wildeste passierte erst nachdem ich von der Erst-Reha nach Hause kam. 2 Jahre lang befand ich mich in einem Ausnahmezustand. Da hat der Lebenskampf begonnen. Mein ganzes Leben war schlagartig anders. Mein 6. Brustwirbel ist seitdem gebrochen. Mit einer chirurgischen Methode wurde mein 5. Brustwirbel mit meinem 7. verbunden. „Miami Moss“ nennt sich diese gefinkelte Methode, mit ganz viel Schraubalan und so. Ich hab eine spannende Trophäe davongetragen und habe seither einen inkompletten Querschnitt. Die Sensorik ist da, die Motorik leider nicht; entgegen meinen Wünschen. Die rechte Zehenreihe kann ich seit ca. 8 Jahren bewegen. Mehr kam nicht wieder.

LCC: Hast du Unterstützung in Anspruch genommen? Was ist dein Gesamtfazit dieser 2 Jahre Ausnahmezustand?

Melitta: Ich habe ein sehr gutes soziales Umfeld, das mir geholfen und mich getragen hat. Aber die Kämpferin war ich. Ich habe eine Physio-Freundin, die mir in dieser Zeit etwas ganz Entscheidendes sagte: „Entweder du kämpfst, dann geht noch immer etwas, oder du lässt dich fallen und wirst ein Pflegefall. Aber es ändert nichts an deinem körperlichen Zustand.“ Ich hab mich fürs Kämpfen entschieden. Das Kämpfen hat sich gelohnt! (Freude strahlend).

LCC: Ich erlebe dich auch als sehr lebensfroh und lebensnah!

Melitta: Es hat sich so viel verändert. Ich weiß oft gar nicht mehr wie ich vorher war. Da ist alles nur noch verschwommen. Weil ich jetzt im JETZT bin. Die Leute sagen mir, ich war schon immer jemand, der tiefer oder mehr (nach-)gedacht hat als andere. Ich empfinde es so, dass meine innere Haltung nach dem Unfall ganz klar wurde. Das Allerwichtigste war die Erkenntnis: Mein altes Leben musste ich loslassen, das neue annehmen.

LCC: Das klingt nach einem sehr bitteren Kampf!

Melitta: Es kostete mich 2 Jahre Ausnahmezustand. Aber ich ging jeden Schritt sehr bewusst. Im Nachhinein betrachtet sehe ich keine Möglichkeit, Krisen wie diese anders zu meistern.

LCC: Du meinst, dich mit dir selbst zu konfrontieren?

Melitta: Ja! Und jeden einzelnen schmerzhaften Schritt musst du gehen, auch wenn du noch so mutig bist oder verletzt; oder kraftlos und voller Wut. Du musst da durch! Das ist dieser Kampf von dem ich spreche. Der hat für mein Leben 100%ig gepasst. Ich musste mir erlauben, alles was mir auf diesem Weg begegnet auszuleben/ auszuhalten. Jeden Seins-Zustand, jedes Gefühl, jedes „Ich kann nicht mehr.“ oder „Ich möchte das nicht.“. Ich musste mich mir selbst zumuten; mich mir selbst erlauben. Zugleich brauchte ich auch ein Umfeld, das mir das erlaubte. Meine Uhr tickt jetzt anders. Meine Leute, meine Lieben mussten verstehen lernen, dass nichts mehr so hurtig geht, wie bisher. Sie haben mich voll unterstützt; mit ganzer Liebe und tun das heute noch. Dafür bin ich sehr dankbar. Denn so lässt es sich leichter mutig sein.

LCC: Das heißt der Unfall hat deine Lebensroutine und -geschwindigkeit beeinflusst?

Melitta: Total ja. Ich mache immer so Schmäh’s im Winter, wenn die Gehsteige hier in Eberndorf nicht gut geräumt sind. Da muss ich oft zu Hause bleiben. Wenn es salznass und teils geräumt ist, wage ich mich hinaus. Ganz oft spüre ich die Blicke der hastigen, ungeduldigen Autofahrer, die nicht überholen können, weil ich jetzt hier die Straße entlang rolle. Ich sag immer „Ich bin die Entschleunigung in Person für Eberndorf.“

LCC: Die Dinge, die ich von dir weiß, lassen mich glauben, du warst vor dem Unfall gar nicht so entschleunigt. Im Gegenteil; dort und da und überall zugleich. Am besten mit 10 Händen alles zugleich tun wollen; mit 16 Beinen jeden Berg rasch erklimmen wollen. Liege ich damit richtig?

Melitta: So ist es. Ich war ein Hans Dampf in allen Gassen. Ich war nie „nur“ auf 70 % unterwegs, sondern immer auf 120 %. Vollgas! Egal wo ich landete. Es war immer mit hohen Ansprüchen an mich selbst. Dann kam offenbar der Keulenschlag. Ich denke oft nach, ob es nicht eventuell Zeichen in meinem Leben gab. Bestimmt! Aber ich hab sie nicht kapiert. Und dann bekam ich ein radikales. Stopp! Es gibt noch mehr. Und mittlerweile komme ich mir reich und beschenkt vor, dass ich diesen Unfall hatte. Weil, so pervers das klingt: Ich bin privilegiert. Es hat mich aus dem Radl (Hamsterrad) heraus geschmissen. Ich bin frei durch meine 100%ige Invalidität. Und so gehe ich das Leben ganz entspannt an.

LCC: Unabhängig davon wie mobil du durch die Welt gleitest/ rollst – gibt es etwas, dass du bereust? Gibt es einen Rat, den du uns mitgeben möchtest?

Melitta: Ich glaube, ich habe ziemlich viel richtig gemacht. Mit 30 bin ich von Österreich abgehauen und meinem Traum gefolgt. Ich habe 1 Jahr in Australien gelebt. Die Bilder, die ich dieses 1 Jahr eingesaugt habe, vergesse ich mein ganzes Leben nicht. Ich bin reich beschenkt zurück gekommen und habe nach wie vor Kontakt nach Australien. Das hätte ich mir nicht verziehen, wenn ich diesen Mut nicht gehabt hätte. Denn aus heutiger Sicht, in der Situation in der ich bin, könnte ich das alles in dieser Qualität nicht mehr erleben.

LCC: Also: Raus in die Welt, spür dich selbst, feiere das Leben, folge deinem Bauchgefühl. Ist das dein Tipp?

Melitta: Ja genau. Sag nicht „irgendwann“ oder „(morgen) vielleicht, wenn ich den Betrag xy verdient habe.“ oder „Wenn die Kinder aus dem Haus sind.“ Du weißt nicht, ob dieses irgendwann; dein großer (Ego-)Lebensplan nicht durch die Pläne des Lebens durchkreuzt wird!

LCC: Was heißt echt sein für dich?

Melitta: Dass ich ehrlich zu mir selbst bin. Dann kann ich es auch der Welt zeigen. Wahrhaftig sein! Ich sage das sehr oft. Zu mir selbst zu stehen; zu allem, was mich ausmacht. Körperlich wie seelisch. So wie ich bin, bin ich richtig. Wahrhaftig gefällt mir gut. Du musst deinem Gegenüber nichts vormachen. In meiner Situation ist das so. Ich kann gar nichts anderes zeigen und das macht mich reich. Denn ich muss niemandem mehr etwas vormachen, immer schneller, besser, erfolgreicher sein. Ich bin jetzt so und genau so bin ich richtig.

LCC: Das zeugt von wahrer Größe, dass du das nach all diesen Jahren sagen kannst. Ich kenne keinen Menschen, der morgens aufsteht und sagt: „Cool, dass meine Füße funktionieren.“ Es ist das Normalste der Welt. Das ist es aber nicht! Wenn man plötzlich damit konfrontiert ist, im Rollstuhl zu sitzen, ist es plötzlich nicht mehr selbstverständlich.

Melitta: Ja, aber diese Schritte der Trauer und der Wehmut habe ich wahnsinnig leben lassen. Ich habe sie wahrgenommen, gespürt. Ungefiltert. Denn das ist das Leben. Manchmal ist es super gut und dann wieder ganz bitter und fast unerträglich. Aber es ist Leben. Pur! Hätte ich das nicht gemacht, hätte es mich irgendwann eingeholt. In jeder Krise ist es wichtig jeden einzelnen Schritt zu spüren. Egal wie schmerzhaft er ist. Es geht nur step by step.

Foto: HL-Photography

LCC: Das heißt diese tiefe Tiefe muss wahrgenommen werden, um wieder neuen Mut zu fassen und mich mit Fragen auseinanderzusetzen wie „Wie gestalte ich mein Leben? Wie bin ich in dieser neuen Version? Wie gestalten ich dieses neue Leben? Wer bin ich jetzt und wie bin ich?“ Die Tiefe führt dich näher zu dir selbst?

Melitta: Ja genau. Aber es ist nichts selbstverständlich. Und jedes Mal kommt tiefe Dankbarkeit in mir hoch, weil ich diese Selbstverständlichkeit gegenüber dem Leben und allem was ist, nicht mehr habe. Ich bin froh, dass ich mich der Krise gestellt habe. Und mir selbst. Das ist ein wahnsinniges Feeling.

LCC: Es ist sehr berührend dich so zu sehen und dir zuzuhören. Man spürt, dass das echt ist und echt da ist. Dass du echt bist. Du hast nichts im Zitate-Kalender gelesen und gibst es pseudo-psychologisch anspruchsvoll einstudiert weiter. Du hast diese scheiß harte Arbeit auf dich genommen; deiner Angst in die Augen geschaut, dich mit dir beschäftigt, denn weglaufen konntest du von heute auf morgen leider nicht mehr. Das ist sehr faszinierend, nicht nur heute, weil wir ein Interview führen, sondern jeden Tag unserer Freundschaft. Danke dafür, Melitta!

Melitta: Es ist nicht anders, es ist genau so. Ja! Sag ja zu dir und dem Leben. Sag ja zu dem Scheiß mit dem du grade konfrontiert bist. Es steckt ein Sinn in allen Höhen und den Tiefen. Ganz besonders in den Tiefen. Das Leben will gespürt werden.

 

Foto: HL-Photography

LCC: Was bedeutet für dich Frau-sein?

Melitta: Da hat sich einiges verändert mit meiner Verunfallung, was für mich phänomenal ist. Damals waren Rupert und ich noch relativ jung verheiratet. Das war auch für meinen Mann ganz einschneidend. Ich hatte aber nie das Gefühl, dass er das Handtuch schmeißen wollte. Zumindest hat er mir das Gefühl nie vermittelt. Er war und ist so liebevoll. Wir sind noch mehr zusammen gewachsen als Mann und Frau. Natürlich hat sich vieles verändert, grade im Bereich der Sexualität. Der Unfall hat uns nicht auseinander gesprengt. Rupert sagt immer so lieb: „Es passt kein Löschblatt zwischen uns zwei.“ Es war nie ein Moment da, wo er oder ich, oder wir Beide das Gefühl gehabt hätten: „Jetzt geht es nicht mehr. Lass uns aufgeben!“ Wir waren uns schon vorher so nahe, daher haben wir diese Herausforderung als Mann und Frau; als Eheleute, nie hinterfragt. Wir haben an unserer Beziehung nicht gezweifelt. Wir haben das durchgestanden. Das war für uns ganz klar.

Wir amüsieren uns an diesem Punkt des Interviews darüber, dass der Nachbar mitten im Interview die Kreissäge startet. 😀 Das dauert auf der Audio-Aufnahme grade ca. 3 Minuten. Herrlich. Es schüttet aus Kübeln, wir plaudern am Balkon und der Nachbar hat nichts Besseres zu tun, als Holz zu schneiden.

LCC: Melitta – bitte beende diesen Satz! Ich bin Alltagsheldin, weil…?

Melitta: …weil ich fühle, dass ich wieder ziemlich mitten im Leben bin. Der Satz gefällt mir selber ziemlich gut. Ja!

LCC: Ziemlich cool! Du bist eine der wichtigsten Menschen in meinem Leben und dein Lebensgefühl möchte ich mit der Welt teilen.

Melitta: Och Schatzale! 🙂

LCC: Wenn du etwas mit der Welt teilen könntest – egal ob mit der virtuellen oder der richtigen – was wäre das?

Melitta: Etwas, dass ich in diesen 10 Jahren gelernt habe, ist, dass es immer um die gleiche Geschichte geht: annehmen, loslassen, im Hier und Jetzt bleiben. Wir wissen das alle, tief drin, aber wir tun das nicht. Wir tun alles, um unsere Endlichkeit wegzudrücken. Und ich hab das Gefühl, dass ich mir einiges an lebensbejahender Haltung erst andressieren musste! Wenn du das schaffst; selbst wenn es nur kleine Sequenzen im Alltag sind, in denen du Jetzt bist, hast du schon gewonnen.

LCC: Es ist so ein schmaler Grat, auf dem man heute wackelt, morgen wieder stabil ist. Mehr vom Einen zu machen, weniger vom Andern. Weniger Sorgen, mehr Freude. Diese Bewusstheit unserer Verwundbarkeit und Sterblichkeit erschlägt uns und sofort ersticken wir sie im Keim oder im Alkohol, oberflächlicher Unterhaltung, exzessivem Sex, Nahrungsaufnahme, Arbeit; weil diese Gedanken so furchtbar beängstigend sind; uns die Luft zum Atmen nehmen.

Melitta: Und das ist aber auch Thema in jeder Krise (annehmen & loslassen). Du kannst es nur durchs bewusste Hinschauen, Hinspüren bewältigen. Und, dass du dich nicht unter Druck setzt ist wichtig und der Ungeduld nicht das Ruder übergibst. Nach dem Motto: „Das müsstest du doch jetzt schon wissen/ gelernt haben.“ Gib dir alle Zeit der Welt, aber verlier nicht den Fokus auf dich selbst!

LCC: Es liegt also viel Sinn in diesen Krisen? Dass wir sie „brauchen“ klingt jetzt fast masochistisch, aber brauchen wir Krisen, um zu wachsen?

Melitta: So pervers es klingt, ich bin reicher geworden durch diesen Keulenschlag. Es gibt einen Sinn. Aber welchen, kannst nur du selbst ergründen. Diesen gefinkelten Bauplan tragen wir alle in uns. Sei mutig und schau hinein in dich!

LCC: Was gibt deinem Leben Sinn?

Melitta: Alles was mir begegnet; alles jetzt! Es ist so arg. Es hat sich in den letzten Jahren meiner Rollstuhlzeit so viel zum Guten gewendet. Alles hat seine Richtigkeit. Das hat sich so intensiv entwickelt. Ich erlebe mich in ganz vielen Situationen sehr bewusst. Wenn eine Tür zugeht; eine Situation ausweglos erscheint, sehe ich sofort 10 neue Optionen. Für mein Leben habe ich viel gelernt. Totale Wahrnehmung stärkt das Vertrauen ins Leben. Ich hab total gewonnen. Es ist schön, dass wir das heute im Interview so komprimiert festhalten und teilen.

LCC: Boah du bist so arg. Der Satz wirkt! (LCC seufzt vor lauter überwältigender Bewusstheit). Du überfährst mich manchmal mit deiner Liebe zum Leben. Ich kenne wenige Leute, die Funken sprühen vor lauter Bewusstheit und Klarheit. Ich will dich hier nicht zeigen aus einem Voyeurismus heraus oder um auf die Tränendrüse zu drücken, sondern wegen deiner Bewusstheit. Dein Leben ist nicht immer nur positiv oder rosig. Kein Leben ist das. Wir Menschen erleben Krisen. Aber dein Umgang damit ist bemerkenswert. Du siehst diese Logik im Lebensfluss und arbeitest stets intensiv daran, den Moment zu spüren, Emotion frei zu lassen, den Geist weder in der Vergangenheit, noch in der Zukunft zu verlieren. Du bist immer so wie du bist: Nah am Leben. Ich sitz mit dir nie zusammen und wir unterhalten uns übers scheiß Wetter oder die schiefe Wirtschaft, das neue Auto vom Nachbarn oder sonstige Belanglosigkeiten. Wir sprechen immer über uns und über das, was grade ist und das darf hell, dunkelbunt und manchmal schwarz sein.

Wir amüsieren uns an dieser Interviewstelle wieder über die Kreissäge, weil wir uns schon fast nicht mehr hören zwecks Regen und Kreissäge. 😀

Foto: HL-Photography

LCC: Was möchtest du allen anderen AlltagsheldInnen da draußen mitgeben?

Melitta: Was mich so einschneidend ergriffen hat war, mein Zustand in der Erst-Reha. Da befand ich mich im ersten großen Schock. Ich komme aus der katholisch studierenden Jugendszene. In die Kapelle für uns Patienten habe ich mich täglich hin begeben; hin gerollt. Ich hab gefragt und gefragt und keine Antwort erhalten. Bis ich Jahre später merkte, dass alles in mir selbst war. Alle Antworten. Es ist ganz entscheidend bei dir selbst zu bleiben. Und hör auf dich zu vergleichen!! Bitte hör auf dich zu vergleichen! Denn es ist der Weg des Anderen. Nicht meiner! Ich bin das Göttliche im Universum. Aber der Andere ist es auch. Wenn wir schon von Gottheiten sprechen, sollten wir in uns suchen und ganz besonders zugeben, wo wir nicht besonders göttlich oder zwischenmenschlich appetitlich sind. Und der übernächste ist auch göttlich. Alle zusammen sind wir verbunden. Wir sind ein großes Konglomerat, es darf keiner fehlen, weil jeder wichtig ist. Und wir passen alle im Großen und Ganzen zusammen. Jeder mit seinen Stärken und Schwächen oder seinen Handicaps. Durch eine tiefe leidvolle Erfahrung bin ich drauf gekommen, dass das so ist und mehr auf mich selbst zu schauen. Nicht schauen, was der andere kann und ich nicht. Dieses verzweifelte Suchen im Außen hat für mich endlich ein Ende. Und wir Menschen tun das ja so gern: Wir führen Beziehungen, die nicht gut tun und machen dann das Gegenüber für unser Unglück verantwortlich, oder wir suchen in Süchten oder was und wo auch immer.

LCC: Während wir so miteinander plaudern tauchen die Sätze auf: „Was du suchst ist in dir. Es ist schon da. Geh in die Stille, geh in dich. Es ist schon da.“

Melitta: Ja, das ist die Botschaft. Definitiv. Sehr wertvoll. Das möchte ich anderen AlltagsheldInnen in jedem Fall mitgeben. Aber die wissen das eh.

LCC: Oder auch nicht…

Melitta: Wir sind in so einer scheiß Vergleichsgesellschaft gefangen. Kaum ist das Baby da, fragen wir: „Wie groß ist es, wie schwer? Was kann er/ sie schon? Ist er/sie eh brav?“ Immer diese sozialen Zuschreibungen und Zwänge. Das nervt und ist nicht notwendig.

LCC: Es gibt einen Satz, den du sehr gern verwendest: „Leben, um zu sterben.“ Was meinst du damit?

Melitta: Das umfasst den ganz entscheidenden Aspekt im Hier und Jetzt zu sein. Nach meinem Unfall ist das ganz klar gewachsen. Schieb nicht so lange deine Konflikte vor dir her. Mach nichts halbherzig. Lebe leidenschaftlich! Ich verwende den Satz nicht im Sinne einer Panikmache, sondern um die Bewusstheit, die Freude am Leben zu leben.

LCC: Der Satz funktioniert von beiden Enden sehr gut. Immer wieder müssen wir im Leben ein Stück weit sterben, um (neu) zu leben. Konflikte überwinden, kreative Lösungen in Krisen finden. Das Ego glaubt aber immer, sterben zu müssen. Es verliert die Materie, die Substanz.

Melitta: Du musstest auch weit weg von dir gehen, um mit so viel Liebe durchs Leben zu gehen. Du hast immer die Chance und immer die verdammte Pflicht, das Beste aus dir und dem Leben zu machen. Atmen, leben, sein, tanzen, arbeiten – alles Geschenke. Wir sollten alle aufwachen. Das macht so frei!! Das Leben im Jetzt würde uns alle so dermaßen befreien. Es lässt so vieles wahrnehmen. Ein ganzer Rattenschweif an Kleinigkeiten, der plötzlich sichtbar wird.

LCC: Ich glaube das ist deine super-power. 🙂

Nach meinem Unfall konnte ich zwar die Beine nicht mehr bewegen, dafür mich selbst spüren; das was mir wichtig ist, mein ganzes Gefühlsspektrum, das Leben selbst – umso mehr!

LCC: Vielen Dank für deine Zeit, das Gespräch und das gemeinsam echt sein! Danke für dich!

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